15.01.2022
Die Arbeitszufriedenheit ändert sich im Lauf des Lebens vieler Menschen. Die Erhebungen von Eurostat zeigen für Deutschland, dass Berufsanfänger weit häufiger mit ihrer Arbeit hochzufrieden sind als ältere Arbeitnehmer. Im Jahr 2018 waren rd. 35 % Erwerbstätige im Alter von 16 und 24 mit ihrer Arbeit hochzufrieden. Der Anteil der Hochzufriedenen fällt jedoch bereits in der Altersklasse 25 bis 34 auf knapp 25 % ab. Im europäischen Vergleich liegt die Arbeitszufriedenheit in Deutschland im unteren Mittelfeld.
Erst im Alter von 65 bis 74 Jahren ist der Anteil der Hochzufriedenen wieder so hoch wie unter den Berufsanfängern. Das lässt vermuten, dass viele Erwerbstätige im Rentenalter ihren Beruf deshalb noch ausüben, weil sie Freude daran haben, sei es weil die Tätigkeit ihnen Spaß macht, sei es wegen der sozialen Kontakte, sei es wegen der Freude am Schaffen und der Anerkennung, die sie dafür bekommen.
Auch in der ersten Erhebung von Eurostat im Jahr 2013 zeigte sich die Abnahme der Arbeitszufriedenheit bis zum Rentenalter. Dies belegt allerdings keine Gesetzmäßigkeit, die überall und alle Zeit gültig sein muss. Eine höhere Zufriedenheit junger Erwerbstätiger ist nur bei einem Teil der europäischen Staaten festzustellen. Besonders stark ausgeprägt ist sie in Österreich. Im Jahr 2018 gaben dort 55 % der Erwerbstätigen im Alter von 16 bis 24 an, mit ihrer Arbeit hochzufrieden zu sein – der Spitzenwert unter den europäischen Staaten. Der Anteil der Hochzufriedenen fällt dann auf rd. 40 % ab – immer noch ein sehr hoher Wert im Vergleich zu Deutschland und den meisten anderen Staaten.
Datenquelle: Eurostat.
Spiegelbildlich nimmt der Anteil der Unzufriedenen bis zum Rentenalter zu. In der Altersklasse 16 bis 24 gibt es in Deutschland mit 16 % noch relativ wenige Erwerbstätige, deren Arbeitszufriedenheit niedrig ist. Der Anteil der Unzufriedenen steigt jedoch bis zum Rentenalter deutlich an. In der Altersklasse 50 bis 64 erreicht er mit 25 % das Maximum. Beim Großteil der Erwerbstätigen bleibt die Arbeitszufriedenheit im Lauf des Erwerbslebens allerdings erhalten, zumeist in mittlerem Maß.
Von den Erwerbstätigen im Alter von 65 bis 74 stuften 15 % ihre Arbeitszufriedenheit als niedrig ein. Das lässt vermuten, dass es unter den Rentnern eine bemerkenswerte Minderheit gibt, die allein des Geldes wegen noch beruflich aktiv ist, aber kaum noch Freude an der Arbeit findet. Dies muss nicht unbedingt mit ihrer Arbeit zusammenhängen. Möglicherweise befinden sich Menschen darunter, die auch aus anderen Gründen mit ihrem Leben hadern, zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen.
Datenquelle: Eurostat.
Angesichts dieser Zahlen stellt sich die Frage: Wie schaffen wir es, zu den Glücklichen zu gehören, die von der Ausbildung bis zur Rente und womöglich darüber hinaus Freude an ihrer Arbeit haben?
Die Antwort lässt sich auf eine Formel reduzieren: Love it, change it, or leave it. „Love it“ meint, lerne deine Arbeit (wieder) lieben. Um dies zu erreichen, müssen wir an unserer Einstellung arbeiten. „Change it“ bedeutet, passe deinen Job an deine Bedürfnisse an und „Leave it“ besagt, wechsle den Job oder gehe in den Vorruhestand.
Welche die beste Strategie ist, hängt von den Ursachen für schwindende Arbeitszufriedenheit und unseren Möglichkeiten ab. Dem einen mag seine Arbeit mit fortschreitendem Alter körperlich zu anstrengend werden. Der nächsten fehlt die Motivation, sich an wechselnde Arbeitsmethoden und Technologien anzupassen. Einem anderen ist der Job zur reizlosen Routine ohne Entwicklungsmöglichkeiten geworden. Und so manche ist frustriert, weil ihr immer wieder neue Chefs vorgesetzt werden, die ihre langjährige Expertise und Erfahrung missachten. Die ermutigende Botschaft aus der Zufriedenheitsforschung ist in allen Fällen: Irgendwas geht immer, wenn man sich darum bemüht. Wir müssen nur selbst aktiv werden und dürfen uns nicht in eine Opferhaltung begeben.
Zufriedenheit ist nur möglich, wenn du keine Abneigung gegen das verspürst, was du tust. Also musst du dir eine positive Einstellung zur Arbeit im Allgemeinen und zu deiner Arbeit im Besonderen aneignen. Dafür musst du auch akzeptieren, dass nicht alles nach deinen Vorstellungen ablaufen kann, dass du Hindernisse überwinden und Rückschläge verarbeiten musst, und dass so manches Experiment in einer Sackgasse endet. Nur so kannst du auf Dauer im Beruf hochzufrieden sein. Du musst zufrieden sein wollen und beständig etwas dafür tun. Daran führt kein Weg vorbei.
Zu einer positiven Einstellung gehört der Wunsch, einen Beitrag zum gesellschaftlichen Wohlstand zu leisten oder sich für etwas zu engagieren. Diesen Wunsch kannst du in dir nähren, indem du dir klar machst, dass alles, was deinen Wohlstand ausmacht, von deinen Mitmenschen erarbeitet oder von der Natur bereitgestellt wird. Du hast also Grund, dankbar zu sein. Indem du in deinem Beruf arbeitest, kannst du eine Gegenleistung erbringen. Mache dir den Nutzen deiner Arbeit für dich und andere klar, schreibe ihn auf und freue dich über das Gute, das du tust. Das kannst du bei jedem neuen Projekt tun, an dem du arbeitest. Wer sind die Nutznießer, was sind ihre Interessen und Bedürfnisse und wie kannst du ihnen helfen, sie zu erfüllen? Vergiss nicht dich selbst und deine Familie dabei.
Mach dir klar, dass der Wohlstand, in dem du lebst, keine Selbstverständlichkeit ist. Im Gegenteil: In der Geschichte Deutschlands, Europas, ja der gesamten Menschheit ist er eine Ausnahme. Heute noch sind die meisten Menschen auf der Welt bedeutend ärmer, genießen weit weniger Freiheiten, Frieden und Sicherheit als du, leben oft in Diktaturen oder instabilen, korrupten Demokratien. Damit wir unseren Wohlstand und unsere Lebensgrundlagen erhalten und weiter verbessern können, muss möglichst jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten daran mitwirken. Denke darüber nach und frage dich, ob das nicht ein guter Grund ist, sich gerne dafür einzusetzen. Ich finde, es ist ein Glück, dies zu können.
Wenn du zu dem Schluss kommst, dass du mit deiner Arbeit Gutes bewirkst, dann versuche sie auch möglichst gut zu machen. Interessiere dich für deine Arbeit, entwickle die notwendigen Fähigkeiten, erwirb die nötigen Kenntnisse und halte sie auf dem Laufenden. Wenn du engagiert deine Arbeit tust und am Ball bleibst, wirst du in der Regel auch Anerkennung dafür bekommen und Zufriedenheit darüber empfinden.
Hilfreich ist es zudem, wenn du dir aufschreibst, was du alles Gutes in deinem Job hast, für das du dankbar sein kannst. Das können ein sicherer Arbeitsplatz, eine gute Bezahlung, anregende und herausfordernde Tätigkeiten, Handlungsfreiheit und Eigenverantwortung, flexible Arbeitszeiten, ein gut ausgestatteter Arbeitsplatz, ein gutes Arbeitsklima mit netten, kooperativen Kollegen, eine gute Kantine, kostenloser Kaffee, ein Park für Spaziergänge in der Mittagspause und alles andere sein, dass du wertschätzt. Solche Positivlisten helfen dir, das Gute zu sehen und motiviert zu bleiben.
Wichtig ist außerdem die Akzeptanz dessen, was du nicht ändern kannst. Kontrolle hast du allenfalls über deine Ziele, dein Denken und dein Handeln. Was andere denken und tun, kannst du vielleicht beeinflussen, aber du kannst es nicht steuern. Finde dich also damit ab, wenn andere nicht willenlos nach deiner Pfeife tanzen. Und sage dir bei Bedarf Dinge wie: „Warum Bosheit unterstellen, wenn Einfalt schon reicht“ oder „Sich ärgern, heißt Buße tun für die Sünden anderer“ oder "Wenn Dummheit fliegen könnte, müsste in meinem Büro der Flugplatz sein". Wenn andere in deinen Augen nicht tun, was sie tun sollten oder Unsinniges oder Unangemessenes von dir verlangen, trage es mit Fassung oder Humor, zumindest innerlich. Wenn du Menschen mögen willst, musst du ihre Fehlerhaftigkeit akzeptieren, auch deine eigene. Sei tolerant gegenüber anderen Sichtweisen und ziehe die Möglichkeit in Betracht, dass auch du dich irren kannst. Damit ist schon viel gewonnen.
Lass dich auf Veränderungen und neue Herausforderungen ein. Auch die Berufswelt unterliegt einem steten Wandel. Nur wenn wir immer wieder die Komfortzone des Gewohnten verlassen und uns aufgeschlossen auf neue Erfahrungen einlassen, können wir unsere Arbeitszufriedenheit erhalten. Auch wenn die Anpassung zunächst unbequem ist und Mühe bedeutet, ist sie besser, als für den Rest seines Berufslebens unzufrieden zu sein. Das gilt für das ganze Leben. Wer dauerhaft zufrieden sein will, muss Vorhandenes loslassen und Neues offen annehmen können oder es von sich aus anstreben. Früher war nicht alles besser.